Ein bislang unbekannter Mariengroschen von Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel aus dem Jahre 1798 aus Wasbüttel, Gde. Wasbüttel, Ldkr. Gifhorn

Es ist immer wieder spannend, wenn Münzen gefunden werden, deren Münzbild oder Prägedatum bislang unbekannt waren und in den einheitlichen Zitierwerken daher nicht zu finden sind. Während dies bei antiken und mittelalterlichen Prägungen vergleichsweise häufig geschieht, sind unedierte neuzeitliche Stücke sehr selten anzutreffen.
Bei dem Fund des Monats Juni 2023 wird ein solches Gepräge vorgelegt. Die Münze wurde von Oliver Heumann, einem ehrenamtlichen Mitarbeiter der Stadt- und Kreisarchäologie Gifhorn im Jahre 2021 in Wasbüttel entdeckt. Es handelt es sich um einen Mariengroschen von Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel (Abb. 1), der seit dem 26. März 1780 der Landesherr war (Abb. 4). Obwohl die Vorderseite stark abgegriffen ist, lässt sich das Münzbild der Rückseite, also die bildliche Darstellung und die Umschrift, eindeutig lesen. Als Vergleichsstück ist eine besser erhaltene Prägung aus einem anderen Jahrgang beigefügt (Abb. 2).

Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel, Braunschweig, 1798
Vs.: CAROLVS GVIL FERD DG DVX BR ET L; Springendes Pferd n. l., im Abschnitt MC
Rs.: außen: DIV EINE FEINE MARK CONVENT M; innen: I // MARIEN // GROSCH 1798
Material: Silber; Gewicht: 1,25 g; größter/kleinster Durchmesser: 17,99/17,80 mm; Dicke: 0,8 mm; Stempelstellung: 360°.

Abb. 1: 1 Mariengroschen des Jahres 1798 (Foto: A. Matthes/NLD).
Abb. 2: 1 Mariengroschen des Jahres 1805 (Foto: WAG Online oHG, Auktion 53, Nr. 598, 10.05.2015).

Das Fundstück von Oliver Heumann zeigt innen auf dem Revers in drei Zeilen I // MARIEN // GROSCH(en) die Werteinheit und das Nominal, darunter das Prägejahr 1798. Außen herum ist im Uhrzeigersinn zu lesen: DIV EINE FEINE MARK CONVENT M(uenze). Damit wird ausgesagt, dass es sich um einen Münzfuß handelt, der durch eine vertraglich vereinbarte Übereinkunft (conventio = Übereinkunft, Vertrag) zustande gekommen war. Im Königreich Hannover wurden die späten Mariengroschen als Konventionsmünzen ausgegeben. Dieser Münzfuß basiert auf der Münzkonvention von 1753, welche zwischen Österreich und Bayern zur Abstimmung ihrer Währungen geschlossen wurde und dem sich Braunschweig 1764 angeschlossen hatte. DIV ist das römische Zahlzeichen für 504. Diese Anzahl an Stücken bildet zusammen eine feine Mark Silber mit einem Gewicht von 234 Gramm. Entsprechend ist z.B. auf Münzen zu 4 Pfennig, die 1/2 Mariengroschen galten, das Zahlzeichen MVII vermerkt, da 1008 derartiger Stücke einer feinen Mark Silber entsprachen (Abb. 3).

Abb. 3: 4 Pfennig des Jahres 1798 (Foto: Münzenhandlung Dirk Löbbers).
Abb. 4: Karl Wilhelm Ferdinand Herzog von Braunschweig-Lüneburg um 1775 von Johann Georg Ziesenis dem Jüngeren (Foto: museum digital)

Auf dem Avers ist ein nach links springendes Pferd abgebildet, unter dem im Abschnitt die Buchstaben MC angebracht sind. Die beiden Lettern sind die Abkürzung für Münz-Commission, und beziehen sich auf die Einrichtung, welche die Prägestätte Braunschweig in den Jahren zwischen 1779 und 1806 leitete. Das springende Ross wurde von den Welfen als Symbol ihrer Fürstentümer verstanden. Umgeben ist die Darstellung von der Umschrift CAROLVS GVIL(liemus) FERD(inandus) D(ei)G(ratia) DVX BR(unsvicensis) ET LU(neburgensis). Die Legende bekundet, dass Karl Wilhelm Ferdinand aufgrund der Gnade Gottes Fürst von Braunschweig-Lüneburg ist.

In dem Standardwerk von Gerhard Welter “Die Münzen der Welfen seit Heinrich dem Löwen”, sind die 1 Mariengroschen unter der Nummer 2928 zusammengefasst. Hier ist kein Beleg für das Prägedatum 1798 zu finden. In den Ausgaben des “Standard Catalogue of World Coins 1701-1800” (7. Edition 2016) bzw. “Standard Catalogue of World Coins 1801-1900” (9. Edition 2015) und in der Publikation “Standard Catalogue of German Coins 1501-Present” (3. Edition 2011) wird dieser Münztyp unter der Referenz KM#1031 gelistet. Den Jahrgang 1798 sucht man vergebens. Im “Deutschen Münzkatalog 18. Jahrhundert: 1700 – 1806” (4. Auflage 2008) von Gerhard Schön sind auf Seite 244 bei der zugehörigen Katalog-Nummer 337 nur die Jahrgänge 1788-1793, 1799, 1800 und 1802-1806 aufgeführt. Anfragen im engeren Kollegenkreis nach weiteren 1 Mariengroschen aus dem Jahre 1798 führten zu keinem Ergebnis. Ebenso erfolglos waren ausgiebige Internetrecherchen (Numista, KENOM, acsearch und CoinarchivesPro).
In den genannten Arbeiten von Welter, Schön und den Standard Catalogues sind aber weder die Anzahl der nachgewiesenen Exemplare noch deren Aufbewahrung angegeben. Somit lassen sich keine Angaben über die Auflagenhöhe der einzelnen Jahrgänge aus ihnen gewinnen (Abb. 5).

Abb. 5: Belegte Jahrgänge mit 1 Mariengroschen-Nominalem

Nach dem jetzigen Stand können die Prägungen der 1 Mariengroschen unter Karl Wilhelm Ferdinand in drei Perioden unterteilt werden. Sie beginnen im Jahre 1787 und werden zunächst bis 1793 fortgeführt. In den Jahren 1794 bis 1797 wird dieses Nominal nicht ausgegeben und von 1798 bis 1806 erneut geprägt, wobei es für das Jahr 1801 offenbar zu einer erneuten Prägelücke kam. Im Jahre 1798 wurden aber noch weitere Nominale ausgeprägt, wie aus der beigefügten Tabelle (Abb. 6) hervorgeht. Da außer dem Fund aus Wasbüttel keine weiteren Stücke bekannt geworden sind, darf davon ausgegangen werden, dass wieder ein Bedarf an 1 Mariengroschen bestand, aber diese nur in einer sehr kleinen Auflage ausgeprägt wurden.

Abb. 6: Prägungen verschiedener Nominale im Jahre 1798 (nach KM).

Durch die enge Zusammenarbeit zwischen den ehrenamtlichen Mitarbeitern und den Archäologen ist dieses Stück mit seinem Fundort nun der Wissenschaft zugänglich. Zusätzlich liefert es für die Braunschweig- und/oder Welfen-Spezialsammler, den Erstellern von Katalogwerken sowie den Fundnumismatikern wichtige Hinweise für die Prägetätigkeit des Jahres 1798 im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel und dem Umlaufgebiet von 1 Mariengroschen.

Zum Weiterlesen:

Abkürzungen

Danksagung
Für Hinweise und die Beantwortung meiner Fragen danke ich Anke Matthes (Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Hannover), Mario Schlapke (Thüringisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie, Weimar), Jochim Stollhoff und Claire Franklin (Münzen- und Medaillen GmbH, Weil am Rhein), Simone Vogt (Münzkabinett Museum August Kestner, Hannover) und Hülya Vidin (Münzkabinett, Landesmuseum Hannover).
(Ulrich Werz (†), Juni 2023)

Für die Hilfe bei der Bearbeitung der Abbildungen, die vom Autor nicht mehr beendet werden konnte, danke ich Vijay Diaz (Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Hannover).
(Anke Matthes, Juni 2023)

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